Donnerstag, 21. Oktober 2010

Die Maske ist heilig

Anmerkung über den Terminus der "verletzten Gefühle"

 „Du hast meine Gefühle verletzt“ ist eine Redewendung, die man in letzter Zeit häufiger hört. Sie muss irgendwann, vor wenigen Jahren, aus dem Nichts aufgetaucht sein. Vermutlich wieder mal ein Import aus der Traumfabrik, schnell runtergeladen, eingedeutscht, wiedergekäut ... und nicht verdaut.

Prima facie scheint einleuchtend, was gemeint ist: Jemand wurde kritisiert und fühlt sich „verletzt“.  In welchen Gefühlen eigentlich? Wie soll das funktionieren? Lassen sich Gefühle verletzen?

Viel eher könnte man davon sprechen, dass Gefühle von Verletzung ausgelöst wurden, z. B. seelischer Schmerz, Trauer, Traurigkeit ... oder sogar narzissstische Wut. Gefühle lassen sich nicht verletzen. Man fühlt sie oder man fühlt sie nicht.

By funda_album maske...
Die o. a. Phrase will etwas anderes beschreiben: Das Selbstbild ist verletzt, gekränkt, angekratzt. Das ist es, was Gefühle von Verletzung erst auslöst: Gefühle sind hier Reaktion auf unangenehme Wahrheiten, die man nicht gerne hört. Weil sie das Selbstbild, die Maske, das (neurotisch) seelische Gleichgewicht oder das falsche Selbstsystem attackieren, infrage stellen. So was tut man nicht. Die Maske ist heilig.

Was lernen wir aus der ganzen Sprachverwirrung? Wenn es um Gefühle geht, wird Sprache bisweilen ungenau, vage oder sogar verzerrend. Die kulturelle moderne Sprachverwirrung, von der hier die Rede ist, verwechselt Gefühle mit Inszenierungen des Ego oder falschen Selbst. Ein beredter Ausdruck des Analphabetentums – soweit es das Seelenleben betrifft, könnte der herzhafte Beobachter ausrufen. Als ob man heutzutage gar nicht mehr recht weiß, was Gefühle sind.

Falls diese Aussage „Ihre Gefühle verletzt“, werter Leser, dann schreiben Sie mir einfach einen ärgerlichen Kommentar.  

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